Report in der Frauenzeitschrift FÜR SIE – Sinnlicher Begleiter Sascha.
Sascha arbeitet als sinnlicher Begleiter und als Escort. Für ihn eine Berufung, bei der es um soviel mehr als nur Sex geht.
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=> Link: PDF Originalansicht FÜR SIE, Seite 88-91, erschienen 19.07.2023
Online-Version Interview FÜR SIE
Die meisten Frauen, die im Internet nach einem Begleiter wie ihm suchen, geben den Begriff „Callboy“ ein. Die Bezeichnung findet Sascha allerdings schwierig – schließlich ist er mit 50 weiß Gott kein boy mehr. Escort, englisch für Begleiter, findet er da schon passender. „Aber auch das greift zu kurz“, sagt er. „Meine Tätigkeit ist vielschichtig, die Treffen mit meinen Kundinnen laufen sehr unterschiedlich ab. Deshalb habe ich den Begriff ,sinnlicher Begleiter‘ kreiert – der trifft es für mich wohl am besten.“
Sascha, der übrigens wirklich Sascha heißt und nicht wie viele seiner Kollegen ein Pseudonym verwendet, ist ein offener Typ mit lachenden blauen Augen. Er hat kein Problem damit, über das zu reden, was er macht. Im Gegenteil. Er will mit Klischees aufräumen und dabei helfen, mit dem Tabu zu brechen, dass es sich für Frauen nicht gehört, für Nähe, Berührungen und Sex zu bezahlen. „Männer machen sich darüber viel weniger Gedanken. Frauen aber kostet es unheimlich viel Mut und Überwindung, auf meiner Seite auf den Button ,Anfrage‘ zu klicken.“ Wie lange er den Job schon macht, will Sascha nicht verraten. Darüber, sagt er, spreche man in seiner Branche ebenso wenig wie über die Anzahl der Kundinnen.
Auf die Idee gekommen, sich neben seinem Hauptjob im Bereich Unternehmensberatung als sinnlicher Begleiter selbstständig zu machen, ist er, nachdem er sich aus einer langen Beziehung gelöst hat. In der Zeit hatte er viele Dates und gemerkt, wie gern er Frauen kennenlernt und tiefe Gespräche mit ihnen führt. „Ich bekam oft zu hören: ,Die Unterhaltungen mit dir fühlen sich so anders an als mit anderen Männern, nicht so plump.‘ Eine Frau sagte halb im Scherz: ,Das solltest du professionell machen.‘ Und so begann ich tatsächlich, über das Thema Escort nachzudenken.“
Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 30 bis 40 Männer, die über Internetplattformen wie callboyz.net gebucht werden können. Dort präsentieren sie sich mit Fotos, geben Größe, Gewicht und Sternzeichen an und sprechen über Hobbys und Werte. Auch die Preise für körpernahe Dienstleistungen – darunter ist das Escort-Business beim Gewerbeamt registriert – sind dort einsehbar. Damit niemand die Katze im Sack buchen muss, gibt es ein Bewertungssystem und die
Möglichkeit für Feedback. Sascha hat durchweg alle fünf Sterne. (Das Interview mit einer Kundin lesen Sie auf Seite 90.).
Ab 200 Euro bekommt man ihn für zwei Stunden als Begleiter. Das ist dann allerdings nur Social Time. „Wenn klar ist, es geht in Richtung Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Intimität – wir nennen das Sweet Time –, dann sind es 300 Euro für zwei Stunden, die für einen niedrigeren Aufpreis auch spontan verlängert werden können“, erzählt Sascha. Einen Abend mit Übernachtung gibt’s ab 700 Euro, und alles, was darüber hinausgeht, wie gemeinsame Wochenenden oder Urlaubsbegleitung, wird pauschal abgerechnet. Das Geld, sagt er, werde ganz oldschool im Briefumschlag übergeben. Als reiner Dienstleister habe er sich trotzdem bisher nie gefühlt.
„Zum einen tritt das Finanzielle schnell in den Hintergrund. Und zum anderen fühle ich mich frei
in meinen Entscheidungen. Wenn mir eine Frau, aus welchen Gründen auch immer, nicht zusagt, würde es erst gar nicht zu einem Treffen kommen. Das war allerdings noch nie der Fall.“ An seine erste Buchung kann sich Sascha, der im deutschsprachigen Raum und auf Mallorca arbeitet, noch gut erinnern.
„Es war eine total sympathische Begegnung, aber wäre das ein privates Date gewesen, hätte meinerseits wohl eher keine Anbahnung mehr stattgefunden.
Als es sich dann in Richtung Intimität entwickelte, fühlte sich allerdings auch das für mich vollkommen stimmig an, einfach weil wir so ein intensives Gespräch hatten.
Ich habe wirklich Freude daran, immer das Besondere und Anregende an den Frauen zu
entdecken.
Und das ist es, glaube ich, auch, was man bei dieser Arbeit braucht: Interesse an Menschen – und das nicht bloß als Mittel zum Zweck.“ Für ihn, sagt er, sei das, was er tue, kein Beruf, sondern Berufung.
Saschas Kundinnen sind im Schnitt zwischen 35 und 60. So etwas wie einen festen Ablauf gibt es bei den Buchungen nicht. Oft beginnt der Abend mit einem Dinner oder einem Spaziergang. Teilweise findet das Treffen auch direkt im Hotel oder bei der Kundin zu Hause statt. Was die Frauen suchen, die zu ihm kommen, lässt sich für Sascha leicht zusammenfassen: Nähe.
Einige seiner Kundinnen sind in langjährigen Beziehungen und werden von ihren Männern im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr berührt, oder sie erleben Sex als etwas sehr Unbefriedigendes. „Die Frauen wollen wertgeschätzt werden, Zärtlichkeit und Leichtigkeit erleben. Viele empfinden wenig Selbstliebe, sind verunsichert mit sich und ihrem Körper. Sie wünschen sich Unterstützung, um einen besseren Zugang zu ihrer eigenen Sinnlichkeit und ihrer Lust zu bekommen.“ Sex im Sinne von Penetration, sagt er, stehe bei den Treffen oft gar nicht im Vordergrund. „Es gibt Frauen, die denken: ,Jetzt habe ich mir einen Escort gebucht, jetzt müssen wir auch Sex haben.‘ Aber so ist das nicht. Ich halte das bewusst offen.
Ich mag das Kennenlernen, den Gesprächsaufbau, dieses Aufeinandereinstimmen. Es sind jedes Mal sehr achtsame Begegnungen.“
Saschas Familie, seine Mutter, die Geschwister und auch seine erwachsene Tochter, weiß von dem Nebenjob. „Ich habe da von Anfang an nichts verheimlicht. Meine Mutter und meine Tochter haben anders als einige Freunde nicht besonders interessiert nachgefragt, aber einen Schock haben sie auch nicht bekommen.“ Auch seine Partnerin hatte er früh in seine Pläne eingeweiht. Für sie beide und ihre Beziehung, sagt er, sei das Thema ein spannendes Lernfeld. „Meine Freundin kann gut damit umgehen. Dennoch bedarf es immer wieder Gesprächen. Grundsätzlich aber findet sie das, was ich tue, weniger bedrohlich als zum Beispiel eine offene Beziehung, bei der sie nicht einschätzen kann, wo gerade ihre Position ist. Denn bei
meiner Tätigkeit als Begleiter ist für alle Beteiligten der Rahmen klar: Es geht nicht um Liebe und Partnerschaft, sondern um Begegnung und Nähe, und das Ganze hat mit einer finanziellen Zuwendung zu tun.“ Ob sich auch mal eine Frau in ihn verlieben könnte – wer weiß das schon? Was Sascha angeht, passiert das aber nicht: „Meine Regeln stehen fest.“
Das letzte Mal in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt ist das Thema Callboy/ Escort vor einem Jahr durch den Film „Meine Stunden mit Leo“. Die pensionierte und verwitwete Lehrerin Nancy, gespielt von Oscargewinnerin Emma Thompson, hatte während ihrer Ehe nie guten Sex. Bevor es zu spät ist, möchte sie das ändern und engagiert Callboy Leo. Vielmehr als um Sex und aufregende Stellungen geht es in dem Film um Einsamkeit und weibliche Scham: Scham für den
eigenen Körper, die eigene Lust.
Sascha mag den Film. Er spiegele seine Erfahrungen mit den Kundinnen realistisch wider, erzählt er: ihre Nervosität, ihre Unsicherheiten, ihre Sehnsüchte.
„Jede Frau hat etwas Besonderes, etwas Sinnliches. Genau das möchte ich ihnen auch vermitteln.“
Dass in Beziehungen viel zu wenig über körperliche Bedürfnisse geredet wird, wie es auch Filmfigur
Nancy in ihrer Ehe erlebt hat, sei Sascha durch seine Tätigkeit noch einmal stärker bewusst geworden,
sagt er. „Viele Beziehungen sind nicht lebendig, weil so viel geschwiegen wird. Man arrangiert sich, lebt lieblos nebeneinanderher.
Dabei sind Berührungen für uns Menschen so wichtig! Warum sorgen wir da nicht besser für uns?
Es muss ja nicht gleich ein Escort sein, es gibt viele Möglichkeiten.“
KATI (61), SELBSTSTÄNDIGE MASSEURIN
„Ich fühle mich stärker und selbstbewusster“
Kati gehört zu Saschas Stammkundinnen. Sie mag seine Gelassenheit und dass er ein guter Zuhörer ist. Ihren Körper und ihre Lust hat sie durch ihn neu entdeckt
Wie kamen Sie auf die Idee, sich einen Escort zu buchen?
Ich steckte lange in einer unglücklichen Beziehung fest. Nachdem ich mich getrennt hatte, hatte ich ein paar Dates, aus denen zum Teil auch
Beziehungen wurden. Aber irgendwie erfüllten sie mich nicht, weder mental noch sexuell. Das war frustrierend,
und ich kam zu dem Schluss, dass ich keine klassische Paarbeziehung mehr wollte. Lieber wollte ich mal etwas
Neues ausprobieren.
Haben Sie vor Sascha schon andere Escorts getroffen?
Nein, Sascha war mein erster. Eine Freundin hatte ihn mir empfohlen. Sie erzählte von ihren sehr positiven
sinnlichen Erfahrungen mit ihm und meinte, wir würden sicher auch auf vielen Ebenen harmonieren.
Geht es Ihnen bei den Treffen vor allem um Sex?
Nicht nur. Besonders bei unserem ersten Date wollte ich es offenhalten und mich nicht überfordern. Bevor
wir uns trafen, hatten wir einen schriftlichen Austausch, und Sascha erzählte mir, dass es keinen Plan für
unser Date gebe und dass jedes Date einzigartig sei. Das nahm mir den Druck. In erster Linie hatte ich Lust
auf anregende Gespräche, vielleicht
Küsse und Berührungen. Sex nur, wenn ich mich öffnen kann.
Wie oft treffen Sie Sascha?
Viel zu selten. (lacht) Etwa alle vier bis sechs Wochen. Was mir besonders an ihm gefällt, ist diese Mischung aus Empathie und Männlichkeit.
Weiß Ihr Umfeld, dass Sie einen Escort buchen?
Inzwischen habe ich einigen engen, aufgeschlossenen Freundinnen davon erzählt. Ich gehe einen neuen Weg, bin dabei, mehr über mich zu lernen, über meine Sinnlichkeit und meine Bedürfnisse. Ich denke, indem ich darüber spreche, kann ich anderen Frauen helfen, ihnen Mut machen, dass auch in ihrem Leben nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist.
Dass auch Frauen jenseits der 50 sexuelle Wünsche haben, ist immer noch ein Tabu. Leider. Wir reden viel über Gleichheit und Emanzipation. Aber was unsere Sexualität angeht, fehlt es an gesellschaftlicher Akzeptanz. Ich kann von meinem Weg nur Positives berichten:
Ich fühle mich stärker, selbstbewusster und viel mehr in Kontakt mit mir selbst als früher.
Quelle: Frauenzeitschrift FÜR SIE – Ausgabe 17/2023, Seite 88-91, Erscheinungsdatum 19.07.2023
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